Wem Klimaschutz als Argument bisher nicht gereicht hat, der wird spätestens mit der nächsten Gasabrechnung seinen Energieverbrauch überdenken. Klimawandel, Energiekrise und Inflation machen den Traum vom autarken Wohnen aktueller als jemals zuvor. Ein Traum, den ein Earthship für seine Bewohner Realität werden lässt.
Ein Haus, das eigenständig Wasser aufbereitet, sich selbst beheizt, klimatisiert und seinen eigenen Strom produziert – Das hört sich nach viel Technologie und hohen Kosten an. Tatsächlich jedoch handelt es sich bei einem Earthship um ein Gebäude, das überwiegend aus recycelten Wertstoffen und natürlichen Baumaterialien besteht. Dabei kostet ein Gemeinschaftshaus für 25 Personen mit rund 300.000 Euro weniger als eine Singlewohnung in Berlin. Zumindest waren das die Baukosten für den ersten Earthship-Ableger in Deutschland, der 2016 im schwäbischen Ökodorf Tempelhof fertiggestellt wurde.
Weltweit gibt es rund 4.000 Earthships. Die meisten von ihnen befinden sich im Heimatland des Erfinders, dem amerikanischen Architekt Michael Reynolds. Als er in den 70er Jahren den ersten Prototyp seiner Erdschiffe fertigstellt, bereitet er den Weg für eine vollständig neue, nachhaltige Bauphilosophie.
Das beginnt bereits beim Bau der Häuser. Hier kommen vor allem geupcycelte und recycelte Zivilisationsabfälle zum Einsatz. Die Wände beispielsweise bestehen aus alten Autoreifen, die mit Erde aufgefüllt und mit Lehm verputzt werden. Die Fliesen stammen aus dem Bauschutt abgerissener Häuser. Glasflächen bestehen aus Altglas von Gastronomiebetrieben. Kennzeichnend für den Innenraum sind organische Baumaterialien wie Lehm, Naturstein und Holz.
Doch nicht nur beim Bau setzt man auf Nachhaltigkeit. Auch der laufende Betrieb ist darauf ausgerichtet, den ökologischen Fußabdruck so klein wie möglich zu halten. Für die Stromproduktion kommen Solarkollektoren zum Einsatz. Da Earthships auf der ganzen Welt und damit auch in sonnenarmen Regionen zum Einsatz kommen, unterstützen mancherorts Windräder die Stromerzeugung.
Auch zur Wärmegewinnung setzen Earthships auf Sonnenenergie. Hier kommt ein ausgeklügeltes System zur passiven Wärmegewinnung zum Einsatz. Die bereits erwähnten Wände aus lehmverputzten Autoreifen dienen dabei als Kollektorfläche, die Sonnenenergie absorbiert, die Wärme speichert und wieder abgibt.
Experimentierte der Urvater des Earthships, Reynolds, bei seinen ersten Häusern noch mit Komposttoiletten, entwickelte er später ein in sich geschlossenes Abwassersystem. Der Anfang des Wasserkreislaufes besteht in Regenwasser, das die Dachfläche des Hauses aufsammelt und in eine unterirdische Zysterne leitet. Dazwischen befindet sich ein Sickerbecken, das Kies nutzt, um grobe Verunreinigungen aus dem Wasser zu filtern.
Das so aufbereitete Wasser gelangt als Brauchwasser in den Versorgungskreislauf. Das Trinkwasser hingegen durchläuft weitere Filterprozesse, weshalb es in Earthships zwei Wasserhähne gibt – einen für Brauch- und einen für Trinkwasser.
Einmal benutztes Grauwasser – also verunreinigtes Wasser, das jedoch nicht mit Fäkalien belastet wurde – gelangt ein weiteres Mal in den Wasserkreislauf. Hier dienen Pflanzbeete im Inneren des Earthships als natürliche Filter. Die Erde selbst und dort vorkommende Mikroorganismen filtern das Wasser und nehmen darin vorhandene Nährstoffe auf. Das fördert das Pflanzenwachstum in den Beeten, in denen häufig auch Nutzpflanzen wie Gemüse und kleine Obstbäume gepflanzt sind. Diesen Kreislauf durchläuft das Wasser bis zu viermal.
Als Reynolds in den 1970er Jahren den ersten Vertreter seiner Gattung fertigstellt, ist er seiner Zeit um einiges voraus. So finden seine Ökohäuser zunächst wenig Anklang. Erst etwa 30 Jahre später mit einem wachsenden Bewusstsein für Klimaschutz erfährt seine Vision vom autarken Wohnen weltweite Verbreitung. Viele seiner Häuser werden dabei als Selbstbau-Projekte realisiert.
Im breiten Wohnungsbau bleibt vollständige Autarkie wohl zunächst Utopie. Auch wenn man das Konzept Reynolds´ als einen wichtiger Wegbereiter betrachten kann. Obwohl sie in den letzten Jahren immer mehr Verbreitung erfahren, sind Earthships noch echte Exoten. Ein Bau in Serie ist vorerst nicht absehbar. Sie stehen jedoch für eine zunehmende Offenheit gegenüber alternativen Wohnkonzepten. So gewinnen nachhaltige Bauformen nach dem Prinzip des Upcyclings zunehmend an Bedeutung. Dazu zählen beispielsweise Wohncontainer, die auf ausrangierte Seecontainer als Grundlage setzen. Auch Passivhäuser gewinnen Heizenergie ohne technische Anlagen. Dabei erfahren auch eigene Wasseraufbereitungssysteme bei der Bauplanung zunehmend Berücksichtigung. Hier lässt sich das Konzept Reynolds als ein wichtiger Wegbereiter betrachten.
Zum Schluss ein großes Dankeschön! Dieser tolle Gastartikel wurde Theresa Bruns geschrieben. Vielen Dank, dass Du dieses interessante Thema mit uns geteilt hast.