Über den Siegeszug der Elektroautos in Norwegen wurde in letzter Zeit viel berichtet. Jedes dritte neu zugelassene Fahrzeug dort ist mittlerweile mit einem Elektromotor ausgestattet. Die Revolution scheint aber noch nicht zu Ende gedacht.
Der prozentuale Anteil der neu zugelassenen E- und Hybrid-Autos liege inzwischen bei ca. 35 Prozent. In der Hauptstadt Oslo sind es sogar 40 Prozent. Warum also ist die Nachfrage in Norwegen so hoch und in Deutschland, Österreich und der Schweiz so gering? Sind die Norweger einfach umweltfreundlicher als wir?
So einfach ist es natürlich nicht. Die Regierung fördert den Kauf von Elektroautos in Norwegen mit hohen staatlichen Subventionen. Unter anderem fallen Mehrwertsteuer, Importsteuer und KFZ-Steuer komplett weg. Das kann schon beim Kauf einen fünstelligen (!) Betrag ausmachen, der erlassen wird. Zusätzlich kann man in vielen Gemeinden kostenlos parken und das Auto laden. Die Mautgebühren entfallen und man darf die Busspur nutzen und rechts am Stau vorbei fahren.
Hallo Bundesregierung! SO sieht echte Förderung aus!
Die hohe Nachfrage führt allerdings auch zu – bei uns kaum vorstellbaren – Engpässen. Eine freie Ladesäule zu finden ist mittlerweile reine Glückssache in den Städten. Das ist okay, solange man mit einem Hybridauto unterwegs ist, also noch einen Benzinmotor im Auto hat. Bei reinen Elektroautos führt das aber zu größeren Problemen. Hier ist dringend ein weiterer Ausbau der Lademöglichkeiten nötig. Die Regierung scheint von der Wirksamkeit der eigenen Förderung überrascht worden zu sein. Das sehe ich allerdings als ein durchaus lösbares Problem an.
Das ist die gute Nachricht: Norwegen produziert fast seinen gesamten Strom mit Wasserkraftwerken, d.h. nahezu emissionslos. Allein der große staatliche Energieerzeuger Statkraft betreibt 237 Wasserkraftwerke in Norwegen und viele kommunale und private Anlagen kommen dazu. Der Elektrizitätsbedarf wird fast vollständig mit Strom aus wassergetriebenen Turbinen gedeckt. Ein paar darüber hinaus vorhandene Gasturbinen und Windparks fallen dabei kaum ins Gewicht. By the way: Es gibt intensive Bemühungen, Deutschland mittels eines 623 km langen Stromkabels ebenfalls an den Ökostrom aus Norwegen anzubinden. Dort wird nämlich mehr Strom erzeugt, als verbaucht.
Und jetzt die schlechte Nachricht für die Elektroautos in Norwegen: so sehr die staatlichen Förderungen für E-Mobilität zu begrüßen sind, muss man auch genau hinschauen, wo dieses Geld herkommt. Der norwegische Staat exportiert in großem Maße Öl in alle Welt.
Gerade erst hat ein norwegisches Gericht erlaubt, dass in der Barentssee weitere Ölbohrungen stattfinden dürfen. Die Richter befanden, dass die Suche nach Öl und Gas in arktischen Gewässern weder gegen das Pariser Klimaabkommen noch gegen die norwegische Verfassung verstößt. Dagegen hatte mehrere Umweltgruppen geklagt, sind mit ihrem Einspruch jedoch an der norwegischen Justiz gescheitert.
Leider hat die augenscheinlich positive Entwicklung in Norwegen durch die Finanzierung mit Öl und Gas einen erheblichen faden Beigeschmack. Das ist in etwa so, als würde man seine Einkäufe im Bioladen und die Ecke mit Aktien von ExxonMobil oder Shell bezahlen. Ich möchte den Siegeszug der Elektroautos in Norwegen keineswegs klein reden. Ich finde nur, man sollte über das Ganze berichten und nicht nur den angenehmen Teil heraus pflücken. Unbestritten bleibt, dass die E-Mobilität damit langfristig gefördert wird. Auch, dass der Strom komplett aus nachhaltiger Energieerzeugung stammt, steht auf der Haben-Seite. Bildet Euch selbst Euer Urteil.
4 Comments
[…] ich schon ein paar Artikel über saubere Luft, sauberen Verkehr und saubere Ozeane geschrieben habe, dachte ich, dass Euch das Thema saubere Binnengewässer […]
[…] Stroms vom Acker fördern. Wenn man dann mit dem nachhaltig erzeugten Strom noch eine Flotte von Elektroautos antreibt, kann die Energiewende […]
[…] in einem anderen Post beschrieben, setzen die Norweger voll auf Elektroautos bei der Verkehrswende. Sie versorgen sich selbst mit nachhaltigem Strom aus Wasserkraft und sind so in der Lage einen […]
[…] von Plug-In Hybrid Autos stark an. Er lässt sogar die ebenfalls stark ansteigenden Zahlen bei Elektroautos hinter sich. Ein neidischer Seitenblick zu unseren […]