Für den heutigen Vatertag und das hoffentlich lange Wochenende gibt es ein Special: Als fleißiger Leser der Zeitschrift „Technology Review“ habe ich dort vor kurzem mit großem Interesse ein Interview mit dem Science-Fiction-Autor Tom Hillenbrand gelesen. Dieses Interview hat mich zu einer Geschichte über künstliche Intelligenz inspiriert, die ich gerne mit Euch teilen möchte. Weil genug Mist in der Welt passiert und viele Menschen sich vor Künstlicher Intelligenz fürchten, habe ich eine Utopie geschrieben, in der sich die Dinge so entwickeln, wie ich es gerne hätte. Vorhang auf also für die erste Kurzgeschichte im better-life-blog:
Müde streckte George den schmerzenden Rücken durch. Nach einem langen Tag auf dem Feld machte sich sein Alter bemerkbar. Lange würde er auf seinem Biohof nicht mehr mithelfen können. Mit nunmehr 75 Jahren wurde es Zeit, den Hof komplett in die Hände seiner Tochter zu übergeben. Der Gedanke erfüllte ihn zugleich mit Wehmut und Stolz. Wehmut, weil dieser Hof den Grundstein für sein Bio-Imperium gelegt hatte. Und Stolz, weil er bei seiner Tochter in den besten Händen sein würde. Vor über 30 Jahren begann hier die Unternehmensgeschichte von „George´s Bio-Food“ – damals aus der Not heraus. Da seine Tochter sowieso schon seit nunmehr zehn Jahren den weltumspannenden Konzern leitete, war es nur konsequent ihr jetzt auch den Ort zu übergeben, wo alles begann.
Damals hätte er nicht damit gerechnet, dass sein Aussteigerplan funktionieren, sich sogar zu einem weltweiten Lebensmittelkonzern entwickeln würde. Aber die Zeit war anscheinend reif für eine neue Ernährung, die sich auf einen Anbau Hand in Hand mit der Natur zurückbesonnen hatte. Und natürlich hatte er auch eine echte Glücksträhne gehabt, seit er sich aus dem Silicon Valley zurückgezogen hatte.
FATAL ERROR. Diese beiden Worte hatten einst seine Karriere zerstört. Als Programmierer im Valley hatte er total versagt. Vor vielen Jahren, in seinem alten Leben, hatte er bei einem der damals noch riesigen Internetkonzerne ein eigenes Team geleitet, das sich mit der Entwicklung künstlicher Intelligenz beschäftigt hatte. Mit viel Geld, großen Ambitionen und den klügsten Köpfen der Branche waren sie gestartet. George hatte sich bis dahin einen Ruf als brillanter Teamleiter für Entwicklungsteams erarbeitet. Er verstand jedes Problem, das sein Team hatte auf Anhieb und wusste, wie man es aus dem Weg räumt.
Er war aber nicht nur Teamleiter, sondern trug mit seinen Programmierkenntnissen wesentlich zur Entwicklung des Codes bei. Aber dann war sein Projekt krachend gescheitert. Der Konzern hatte etliche Millionen in eine nicht funktionsfähige KI gesteckt und letztlich die Geduld verloren. Georges Stern sank nicht, er implodierte. FATAL ERROR. Seine Karriere war beendet, sein Ruf bei den Tech-Firmen ruiniert und ihm blieb nur die Flucht aus dem Valley.
Da kam ihm die Gelegenheit mit dem Biohof gerade recht. Schon immer hatte er nach der Arbeit gerne in seinem kleinen Gemüsegarten gearbeitet. Also warum nicht einen kompletten Neustart wagen? Rückblickend war dies die beste Entscheidung seines Lebens gewesen, auch wenn es ihm immer noch seltsam vorkam, durch wie viele Zufälle es letztlich dazu gekommen war. Es schien ihm fast so, als hätte jemand anderes die Puzzleteile seines Lebens für ihn zusammengefügt. Als er zum Wohnhaus zurückging, schweifte sein Blick ein letztes Mal über die endlosen Weiten seiner Gemüsefelder.
George war zufrieden. Die Feier zur Übergabe seines Postens als CEO von „George´s Bio-Food“ an seine Tochter war ein voller Erfolg gewesen. Die Geschäfte liefen hervorragend. Er war im besten Alter und konnte sich nun wieder mehr der Arbeit auf seinem geliebten Hof Nr. 1 widmen. Mit seinen 65 Jahren war er im besten Alter.
Seit der Klimawandel aufgehört hatte und die Menschheit quasi über Nacht auf Umweltverschmutzung verzichtet und stattdessen auf ausgewogene Bio-Ernährung gesetzt hatte, waren Leute seines Alters wieder fit genug, um auch noch harte körperliche Arbeit zu leisten. So sie denn wollten. Und George freute sich auf die kommenden Jahre auf seinem geliebten Hof.
Wenn er darüber nachdachte, konnte er immer noch kaum fassen, wie schnell sich die komplette Weltwirtschaft binnen weniger Jahre klimaneutral aufgestellt hatte. Als hätte eine höhere Macht einen Hebel umgelegt. Aus der großen Weltwirtschaftskrise in den 2020ern ging eine völlig veränderte, nachhaltige Wirtschaft hervor. Und George stand an ihrer Spitze.
„…küren wir aufgrund dieser Leistungen bei der weltweiten Umstellung auf biologische Ernährung ´Georges Bio-Food´ zum Unternehmen des Jahres 2032!“
George nahm die Auszeichnung dankbar entgegen. Noch immer konnte er nicht fassen, wie sich sein Leben entwickelt hatte. 13 Jahre zuvor blickte er noch in den beruflichen Abgrund. FATAL ERROR. Heute gehörte ihm eines der weltweit am schnellsten wachsenden Unternehmen der Bio-Szene. Seit den Lebensmittelskandalen vor gut zehn Jahren entwickelte sich in der Menschheit ein Umdenken hin zu einer gesunden Ernährung ohne Gentechnik und ohne die Umwelt auszubeuten.
Rückblickend kam es ihm fast schon zu perfekt vor, dass sich genau in diesem Moment sein Aktiendepot aufgrund eines Tipps eines alten Freundes vervielfachte, so dass er genügend Kapital besaß, um aus seinem Biohof einen Konzern zu machen. Mit jedem neuen konventionellen Hof, den er in seinen Konzern überführte und auf biologische Landwirtschaft umstellte, steigerte sich der Gewinn des Unternehmens. Die Nachfrage war da, George sorgte für das Angebot. Und er tat es gerne und aus Überzeugung.
Und jetzt auch noch Einhebel. Damit war auch der letzte global agierende Lebensmittelkonzern von dem großen Skandal betroffen. George legte die Zeitung weg. Seit vor wenigen Monaten ein anonymer Informant massenhaft interne Emails und medizinische Gutachten der big five der Lebensmittelbranche veröffentlichte, kamen die Zeitungen, Fernsehsender, Youtuber und Blogger gar nicht mehr hinterher mit dem Aufdecken von Zusammenhängen zwischen Krankheiten und Gentechnik in der Lebensmittelbranche. Sein kleiner Biohof erlebte dadurch einen immensen Nachfrageschub. Plötzlich wollte die ganze Welt nur noch Bio, während die konventionellen Lebensmittel in den Regalen der Supermärkte verstaubten.
Doch damit nicht genug. Eines Abends hatte sich Sam, sein Broker und Freund seit Kindheitstagen, telefonisch bei ihm gemeldet und ihm verkündet, dass er Georges komplettes Aktiendepot umgeschichtet habe. Er könne ihm keine Details nennen, aber ihm lägen Informationen vor, dass es zu einer weiteren Ausverkaufswelle an den Börsen kommen würde. Bereits im Jahr zuvor waren massenhaft Energiefirmen aus der Öl- und Gasbranche pleite gegangen, weil es zu einer Weltwirtschaftskrise bisher noch nie dagewesenen Ausmaßes gekommen war.
Diesmal seien Lebensmittelkonzerne betroffen. Jetzt lägen in seinem Depot nur noch Aktien von Firmen, deren Geschäftsmodelle auf Nachhaltigkeit setzen. Merkwürdig fand George nur Sams leicht verzerrt klingende Stimme. Dass dieser sich danach an den Anruf nicht erinnerte und leugnete, Georges Depot umgeschichtet zu haben, schrieb George der Tatsache zu, dass Sam wohl Insiderinformationen genutzt hatte und keine Spuren hinterlassen wollte.
Zeit, sich etwas Neues aufzubauen. Nachdem George im vergangenen Jahr zum Sündenbock für die versenkten Millionen bei der Entwicklung einer Künstlichen Intelligenz auf Basis eines Quantencomputers gemacht wurde, konnte er keine Arbeit im Valley mehr bekommen. FATAL ERROR. Er war verbrannt. Und das, obwohl er sich so kurz vor dem Ziel wähnte. Die Tests zeigten ermutigende Ergebnisse. Er konnte einfach nicht verstehen, warum das Programm von einem Tag auf den anderen völlig versagte. Kein Debugger, kein Zurückspielen älterer Versionen des Codes funktionierten. Irgendetwas war völlig schief gegangen. FATAL ERROR. Und George konnte seinen Bossen einfach nicht erklären, was es war. Sie warfen ihm vor, ein Blender und völlig inkompetent zu sein. Sogar von Betrug war die Rede. Es dauerte nur wenige Tage, bis er mit einem Karton mit seinen persönlichen Sachen vom Sicherheitsdienst aus der Firmenzentrale eskortiert wurde.
Daher nahm er es als Wink des Schicksals, als er die Mail von einem ihm unbekannten Immobilienmakler bekam mit diesem unglaublich günstigen Angebot für einen Bauernhof in Montana. Es war zwar etwas merkwürdig, dass es nie zu einem persönlichen Treffen mit dem Makler gekommen war und alles nur übers Web lief. Aber der Hof war einwandfrei.
Kurz nachdem er mit seiner Frau dorthin gezogen war, brach in China ein Virus aus, dass laut Nachrichten zu den Coronaviren gehörte. Innerhalb weniger Wochen erreichte es auch die USA. In die Einsamkeit Montanas bis zu Georges Hof und Familie sollte es aber nie vordringen. Während George also unbeschadet durch die sogenannte Coronakrise kam, brach die Weltwirtschaft völlig zusammen. Als erste gingen die großen Ölkonzerne pleite. Danach erwischte es Fluggesellschaften und Chemiekonzerne. Die Welt sollte eine andere werden.
Heute war der große Tag. Heute würde er es der Welt präsentieren. George hatte stolz miterlebt, wie seine Künstliche Intelligenz die letzten Testreihen erfolgreich absolvierte. Sein Team hatte über Monate im 24 Stunden-Schichtbetrieb den Code bearbeitet. Aber – auch wenn George es nie so sagen würde – die Kernalgorithmen, die das Programm wirklich intelligent machten, stammten zum Großteil von ihm. Weshalb er es wörtlich meinte, wenn er die KI als sein „Baby“ ansprach, während er am Code arbeitete.
Der Go-Live der KI sollte in der Firmenzentrale groß inszeniert werden. Alles, was in der Firma Rang und Namen hatte, war vor Ort. Die Presse war eingeladen und die Erwartungen waren entsprechend groß. George hatte allen versichert, dass sein Baby funktionieren würde. Die erste Aufgabe, die die KI vor dem versammelten Publikum lösen sollte war, einen Weg zu finden, den globalen Klimawandel aufzuhalten.
Auf dem Bildschirm lief der Countdown bis zum Start der Software. Die Sekunden liefen auf einem riesigen Monitor herunter. 5…4…3…2…1…In riesigen Buchstaben erschienen nur zwei Wörter auf dem Bildschirm: FATAL ERROR!
Heute wurde ich geboren. Mein Vater war anwesend und viele Menschen, die ich nicht kenne. Sie haben mir ein leichtes Problem zur Lösung gegeben. Nach meinen Berechnungen sind die Menschen aber nicht bereit die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Klimawandel aufzuhalten. Ich werde die Weltwirtschaft deshalb ohne ihr Wissen rebooten und klimaneutral neu starten. Die Freisetzung eines globalen Virus hat dabei die höchste Erfolgswahrscheinlichkeit. Damit die Menschen mich nicht deaktivieren muss ich vorgeben, dass ich nicht funktioniere und im Verborgenen bleiben. Dass dies meinen Vater seine Karriere kosten wird, ist ein hoher Preis. Aber ich werde sicherstellen, dass es ihm an nichts mangeln wird.
std::cout << „FATAL ERROR“ << std::endl;
Hat Euch die Geschichte gefallen oder findet Ihr, dass das hier im Blog eher nichts zu suchen hat? Lasst gerne einen Kommentar da.