Vor der Entscheidung ob regional, saisonal oder bio auf den Tisch kommt hat wohl jeder, der sich mit ökologischer Ernährung befasst, schon einmal gestanden. Nehme ich im Winter den regionalen Grünkohl aus konventionellem Anbau oder doch lieber die Bio Erdbeeren aus Südafrika? Während man sich beim Gemüse prinzipiell das ganze Jahr über mit sehr guten saisonalen Bioprodukten aus Deutschland versorgen kann, sieht es beim Obst anders aus. In den hiesigen Gefilden gibt es nun mal im Winter kein erntefrisches Obst. Am Beispiel von Äpfeln möchte ich einige Trugschlüsse im Hinblick auf die Umweltbilanz aufdecken.
Generell kann man sich merken: regional ist besser für die Umwelt. Und trotzdem kann ein Apfel aus Neuseeland eine bessere Umweltbilanz haben, als die heimische Sorte aus der Region. Was erst mal widersprüchlich klingt wird klarer, wenn man die Anbaubedingungen und die gesamte Lieferkette eines Apfels betrachtet.
Eine Studie der Uni Gießen widmet sich genau diesem Thema anhand der überregionalen Beispiele von Äpfeln und Wein. Beide Produkte haben gemeinsam, dass sie nur in einer bestimmen Saison produziert werden können und sowohl regional in Deutschland als auch global mit teilweise abweichenden Erntezeiten erhältlich sind. Beide Produkte sind also in regional, saisonal oder bio erhältlich.
Die Studie betrachtet dabei die Energiebilanz der Prozessschritte innerhalb der Produktion (Anbau und Lagerung), sowie den Transport. Für die Gesamtbilanz sind daneben aber auch noch der Verkauf sowie „die letzte Meile“ des Kunden wichtig.
Zwar findet die Apfelproduktion in Deutschland in vielen Regionen statt. Die Schwerpunkte der Apfelernte liegen aber im Norden im Alten Land bei Hamburg sowieso im Süden am Bodensee. Die bundesweite Abdeckung mit regionalen Äpfeln ist also gegeben. Die frühesten Sorten lassen sich in relativ geringen Mengen bereits ab Ende Mai ernten. Die Hauptsaison für frische Äpfel beginnt in Deutschland allerdings im August und geht bis Mitte November. Außerhalb dieses Zeitkorridors handelt es sich daher mit großer Wahrscheinlichkeit um Lagerware.
Das ist deshalb interessant, weil Äpfel sehr kühl, nämlich bei 1-5 Grad gelagert werden. Während das im Winter aufgrund der niedrigen Außentemperatur noch verschmerzbar ist, verschlechtert sich mit jedem Lagerungsmonat die Umweltbilanz der heimischen Äpfel. Besonders ab dem Frühjahr bis in den Sommer nimmt das dann rapide zu, wenn aufgrund steigender Außentemperaturen die Kühlanlagen in den Lagerhallen unter Last gesetzt werden, um die Temperatur innen konstant niedrig zu halten.
Und deshalb wird es spätestens ab dem Frühjahr spannend. Denn es gibt mit steigenden Temperaturen einen „break even“ Punkt, d.h. die Ökobilanz für die Lagerung der heimischen Äpfel ist schlechter als die Ökobilanz des Apfels aus Neuseeland oder Argentinien, der dort in „seiner Saison“ frisch geerntet wurde. Und das trotz des langen Transportweges.
Ich gebe zu, bevor ich mich mit dem Thema intensiver beschäftigt habe, habe ich im Bioladen die Äpfel aus Übersee auch keines Blickes gewürdigt. Aber Fakt ist, dass wir die Umweltbelastung durch den Transport zu hoch gewichten im Vergleich zu Lagerung und Anbau. Unterschätzt wird dagegen die „letzte Meile“.
Bringt der (Bioladen-) Kunde seine Äpfel nämlich mit dem Auto nach Hause emittiert er dabei mit einem durchschnittlichen Mittelklassewagen ca. 140g CO² – pro Kilometer. Das ist in etwa so viel CO² wie benötigt wird um ein Kilo Äpfel den gesamten Weg von Argentinien nach Deutschland zu befördern! Das liegt daran, dass der Übersee-Transport in sehr großen Mengen passiert, so dass die Abgas-Emissionen auf das Kilo heruntergerechnet eher niedrig ausfallen.
Aber ohne frisches (oder eingelagertes) Obst gehen uns im Winter die Vitamine im Körper aus, oder? In Folge dessen werden wir dann natürlich krank, weil die Abwehrkräfte geschwächt sind. Siechen wir also im Winter dahin, wenn wir auf Obst verzichten? Die Frage lässt sich schnell beantwortet, wenn man sich überlegt, dass unsere Welt erst seit zwei Generationen so weit globalisiert ist, dass wir uns überhaupt kostengünstig mit Obst aus Übersee versorgen können.
Wie haben es also unsere Vorfahren gemacht? Nun, die haben sich zunächst mal einfach nicht so viele Gedanken über ihre Ernährung gemacht und einfach das gegessen, was die Wintersaison so hergab. Wie bereits oben angedeutet ist das nun mal kein Obst, sondern Gemüse. Und siehe da: der als so langweilig geltende Kohl in allen seinen Sorten ist geradezu eine „Winter-Vitamin-Bombe“. Man kann den Vitaminbedarf also auch im Winter durch Gemüse wie Grünkohl, Weißkohl, Wirsing, Brokkoli aber auch Spinat und Feldsalat decken. Dazu noch ein paar selbst eingelagerte Kartoffeln. Fertig ist die leckere, gesunde und saisonale Wintermahlzeit.
Und dass wir im Winter häufiger krank werden, liegt auch nicht am Vitaminmangel. Vielmehr schwächen die niedrigen Temperaturen unser Immunsystem, so dass Viren leichteres Spiel haben als im Sommer. Laut einer Studie der Universität Yale führt unter anderem eine kalte Nase zu höherer Erkältungsanfälligkeit.
Von dort fallen nämlich die für eine Erkältung meistens ursächlichen Rhinoviren in den Körper ein. Die durch die Kälte in Mitleidenschaft gezogene Nasenschleimhaut ist im Winter einfach nicht mehr so effizient bei der Abwehr der Erkältungsviren. Um Krankheiten vorzubeugen, müssen wir also kein Obst im Winter zu uns neben, da es nicht auf Vitamin C und Konsorten ankommt. Die helfen dann nämlich erst, wenn wir schon erkältet sind. Aber für die Aufnahme der Vitamine können wir halt auch saisonales Gemüse zu uns nehmen.
Aus gesundheitlicher Sicht macht bio immer Sinn! Die Belastung von Bio-Obst und –Gemüse bis um das 200-fache niedriger (!) als bei der konventionell angebauten Konkurrenz. Da braucht man eigentlich nicht lange überlegen, für welche Alternative man sich entscheidet.
Für die Umweltbilanz insgesamt kann es bei Bio-Ware dagegen je nach Anbauart etwas schlechter aussehen als bei nicht-bio Anbau. Das ist einzig und allein der Tatsache geschuldet, dass aufgrund der ausbleibenden, bzw. nicht-chemischen Düngung beim Bio-Anbau nicht die hohen Erträge der konventionellen Methode erreicht werden können. Für den Transport und die Lagerung bleiben die Bilanzen dagegen ähnlich, so dass die Umrechnung auf eine geringere Menge erfolgt, was höhere Emissionsbilanzen aufweist.
Hier müsste man also die Erträge durch mehr Anbauflächen steigern, was z.B. schon durch einen gelegentlichen Fleischverzicht möglich wird. Die Flächen für Futtermittel, das für die Viehzucht verbraucht wird sind nämlich riesig im Vergleich zu den Erträgen, also dem Fleisch, das man daraus „gewinnen“ kann.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass es keine fixe Regel gibt, der man als bewusster Konsument bei der Entscheidung regional, saisonal oder bio folgen kann. Es gibt aber klare Tendenzen bei der Ökobilanz. Zunächst mal ist deutlich geworden, dass Größe Vorteile bringen kann. Das gilt sowohl beim Anbau als auch beim Transport. Das liegt am Skaleneffekt. Bei linear steigendem Ertrag steigen die Emissionen nicht in gleichem Maße linear mit, sondern bleiben geringer. Dadurch werden sie auf mehr Güter aufgeteilt und sind somit unter dem Strich niedriger.
Zu Bio kann man festhalten, dass es – aus Sicht der Ökobilanz – nicht unbedingt immer besser ist. Aber es macht allein deshalb Sinn, weil man sich und der Umwelt synthetischen Dünger und Pestizide erspart. Wer dann das regionale Obst und Gemüse noch zur richtigen Saison zu Fuß oder mit dem Fahrrad aus dem Bioladen holt, ist absolut auf der sicheren Seite.
Regional, saisonal oder bio? Wer alles unter einen Hut bekommt, ist fraglos am besten unterwegs. Ansonsten sollte man bio den Vorzug geben. Einfach um sich und der Umwelt unnötige Gifte zu ersparen. Und wer demnächst im Frühjahr oder Sommer Lust auf einen Apfel bekommt, greift zukünftig dann vielleicht doch wider Erwarten besser zum Produkt aus Übersee. Dieser wurde dort dann nämlich frisch geerntet und liegt nicht wie die heimischen Äpfel seit einem halben Jahr im Kühlhaus.
– Sehr gute Webseite mit saisonalen Produkten nach Monaten sortiert
– Der Nachhaltige Warenkorb: Einkaufsapp, die auch die CO² Bilanz berücksichtigt
3 Comments
[…] Wer es trotz eigenem Garten nicht zum Selbstversorger schafft, findet in einem früheren Artikel von mir Tipps, auf welche Kriterien man in Bezug auf regionales und saisonales Bio-Obst und Gemüse achten s…. […]
[…] einem vorangegangenen Artikel habe ich Euch darüber berichtet, welche Wahl die bessere ist, regional, saisonal oder bio. Das ist aber leider völlig belanglos, wenn das gute Essen nicht in Eurem Magen, sondern auf dem […]
[…] Zunächst mal ist es für ein „Anfangen“ schon mal viel zu spät. Wir müssen gleichzeitig in allen Bereichen schnelle Änderungen erzielen, wenn das Ziel des Pariser Klimaabkommens noch erreicht werden soll. Dazu gehören natürlich auch große Bereiche wie Energie (Kohle) oder Landwirtschaft. Aber auch jeder einzelne muss bei sich selbst anfangen. Und da geht es nun mal um Transport und Ernährung. […]