Moin,
heute würde ich gerne die neue Kategorie “Buchempfehlungen“ starten und Euch gleich mal ein erstes, meiner Ansicht nach lesenswertes Buch vorstellen. Der Titel lautet „Die Kunst des klaren Denkens – 52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen“ von Rolf Dobelli. Kurz gesagt geht es in dem Buch um Denkmuster, die wir Menschen evolutionsbedingt haben und die uns oftmals zu falschen Entscheidungen führen. Rolf Dobelli analysiert diese und stellt sie auf unterhaltsame Weise vor. Jedem Denkfehler ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Diese sind im Schnitt drei Seiten lang, so dass man das Buch gut immer mal wieder zwischendurch zur Hand nehmen kann.
Dobelli schrieb für die Frankfurter Allgemeine Zeitung ca. ein Jahr lang wöchentliche Beiträge, die er in diesem Buch zusammengefasst hat. Der Schreibstil ist unterhaltsam und flüssig. Viele der Denkfehler beschreibt Dobelli anhand eigener Erfahrungen. Auch nutzt er viele Alltagsvergleiche, um uns Lesern zu zeigen, dass auch wir zu diesen Denkfehlern neigen. Durch die kurzen, in sich geschlossenen Kapitel, kann man immer mal wieder in das Buch schauen, wenn man gerade Zeit hat. Es eignet sich ideal für Bahnfahrten oder eine kleine Pause zwischendurch.
Sehr schön gestaltet sind die Illustrationen von Birgit Lang am Beginn jedes Kapitels. Diese bereiten den Inhalt des folgenden Kapitels grafisch auf witzige Weise auf und regen dazu an, „nur noch ein Kapitel“ weiterlesen zu wollen. Im Endeffekt liest man dann doch mehr.
Am Ende des Buches legt Dobelli seine Quellen offen. Nach Kapiteln gegliedert gibt er zumindest die wichtigsten Quellen für die beschriebenen Denkfehler an. Anhand dieser Angaben kann man selbst weiter recherchieren, wenn ein Kapitel besonders interessant ist. Zudem wird durch den Verweis auf die Quellen die Glaubwürdigkeit enorm erhöht. Meist handelt es sich dabei um Publikationen in psychologischen Fachbüchern. Aber auch einige Bücher aus anderen Bereichen, z.B. über die Börse, werden als Quelle genutzt. Man wundert sich sowieso, wie viele der Denkfehler vor allem von Börsianern gemacht werden. Andererseits, vielleicht ist das auch gar nicht so verwunderlich J Aber genug zum Aufbau. Ich möchte Euch gerne einige Beispiele für Denkfehler im Alltag aus dem Buch vorstellen, damit Ihr Euch selbst ein Bild machen könnt. Beginnen werde ich mit einer Zusammenfassung Dobellis Schilderung der „Swimmer´s Body Illusion“.
Bei diesem Denkfehler verwechselt man kurz gesagt Ursache mit Wirkung. Der Titel ist dabei sehr passend gewählt. Denn Dobelli beschreibt dies anhand eines Mannes, der gerne einen besseren Körper hätte. Dieser erkennt, dass das nur mit Sport funktionieren wird. Also schaut er sich die Athleten verschiedener Sportarten an und kommt zum Schluss, dass die Schwimmer von allen die besten Körper haben. Nachdem er ein Jahr trainiert hat, stellt der arme Teufel fest, dass sich sein Körper zwar verbessert hat, er aber niemals wie ein Schwimmprofi aussehen wird. Egal wie viel er dafür trainiert. Er ist der „Swimmer´s Body Illusion“ aufgesessen.
Warum? Er hat das Problem von der falschen Seite betrachtet. Seine Annahme war, dass die Schwimmer ihre großen, trainierten Körper durch das Schwimmen erhalten. Es ist genau andersherum: erfolgreiche Schwimmer sind deshalb so erfolgreich, weil sie von vorneherein groß und muskulös waren. Durch das harte Training wird das natürlich noch gefördert, aber kein „Normalsterblicher“, der nicht diesen Körperbau hat, könnte jemals durch Training auch nur ansatzweise die Ergebnisse eines Schwimmprofis erreichen.
Der amerikanische Seriengoldmedaillengewinner Michael Phelps hat eine Spannweite von über zwei Metern (!), wenn er seine Arme ausbreitet. Ich möchte sehen, wie man DAS trainieren soll 🙂 Bei großen Entscheidungen sollte man sich also vorher vergewissern, das Ergebnis nicht mit der Ursache zu verwechseln.
Dobelli schildert diesen Denkfehler anhand mehrerer Beispiele. Im Tagebuch seines Großvaters, der 1932 nach Paris ausgewandert ist, las er eine Passage aus dem Jahr 1940. Dort beschreibt sein Großvater, dass man davon ausgeht, dass die deutschen Besatzer England in kurzer Zeit erobern werden und Frankreich innerhalb weniger Monate wieder verlassen. Das französische Leben würde dann wieder wie zuvor weitergehen, nur eben als Teil von Deutschland. Viele Zeitgenossen und sogar deutsche Offiziere würden diese Meinung teilen. Die Geschichte verlief anders. In allen Geschichtsbüchern wird der tatsächliche Kriegsverlauf aber als wahrscheinlichstes Szenario dargestellt. Waren die Leute früher so dumm?
Noch im Jahr 2007 sagten alle führenden Ökonomen weltweit glänzende Wirtschaftsaussichten für die Jahre 2008-2010 voraus. Ein Jahr später implodierte die Finanzwelt beinahe. Dieselben Ökonomen sagen rückblickend, dass es aufgrund vieler Umstände (z.B. der Finanzpolitik der Notenbanken) nur zu diesem Ergebnis kommen konnte. Warum sagten sie es dann nicht voraus?
Der Rückschaufehler gehört zu den gefährlicheren Denkfehlern. Denn er lässt uns unsere eigenen Prognosefähigkeiten überschätzen. Rückblickend sieht alles für uns logisch aus. Es konnte ja nur so kommen! An alle „Ich-habs-ja-immer-gewußt-Sager“: Seid Ihr sicher, dass Ihr es schon immer habt kommen sehen oder geht Ihr nicht vielmehr dem Rückschaufehler auf den Leim? Dobellis Tip: Führt doch einfach ein Tagebuch und haltet dort Eure Prognosen für die Zukunft fest. Ihr werdet Euch wundern, wie oft Ihr daneben lagt, obwohl doch im Nachhinein alles völlig logisch erscheint 🙂
Dieses Kapitel liegt mir als Wirtschaftsinformatiker besonders am Herzen. Beim Lesen kam ich aus dem Grinsen gar nicht mehr heraus, denn es geht schlicht und ergreifend um Wahrscheinlichkeitsrechnung. Dobelli bringt dafür sehr schöne Beispiele, eines möchte ich gerne zitieren:
„Am 1. März 1950, um Viertel nach sieben, sollten sich die 15 Mitglieder des Kirchenchors von Beatrice in Nebraska zur Probe treffen. Aus verschiedenen Gründen waren sie alle verspätet. […] Um 19:25 Uhr explodierte die Kirche. Der Knall war im ganzen Dorf zu hören. Die Wände flogen heraus, und das Dach krachte und der Stelle zusammen. Wie durch ein Wunder kam dabei niemand ums Leben. Der Feuerwehrkommandant führte die Explosion auf ein Gasleck zurück. Doch die Mitglieder des Chors waren überzeugt, ein Zeichen Gottes empfangen zu haben. Gottes Hand oder Zufall?“ (S.97)
Immer wieder hören wir solche Geschichten, die einem tatsächlich so unmöglich erscheinen, dass man ein „Wunder“ zumindest in Betracht zieht. Wenn man es aber einmal emotionslos betrachtet und die Wahrscheinlichkeiten für diese Vorfälle berücksichtigt, dann kann man vieles mathematisch nachvollziehen. Der Fehler ist, das jeweilige Ereignis in seiner Unwahrscheinlichkeit isoliert zu betrachten. Die Vergleichsgruppe für das genannte Beispiel sind alle Kirchenchöre dieser Welt, die zu einer Probe in die Kirche gehen. Das sind sicherlich viele Millionen pro Jahr (Anzahl Kirchenchöre * Anzahl Proben/Jahr). Über diese große Summe gesehen müssen auch noch so unwahrscheinliche Ereignisse, also solche mit einer sehr geringen Eintrittswahrscheinlichkeit, irgendwann passieren.
Beim Lotto liegt die Wahrscheinlichkeit den Jackpot zu knacken bei absolut unrealistischen 1:140.000.000. Trotzdem wird der Jackpot alle paar Wochen von irgendwem geknackt. Warum? Weil so viele Reihen getippt werden (Anzahl Tipper * Anzahl getippter Reihen auf dem Schein), dass irgendwann auch dieses unglaublich unwahrscheinliche Ereignis eintreten muss. Der Jackpot ist geknackt, irgendwo jubelt ein glücklicher (oder einfach unwahrscheinlicher) Gewinner…und niemand spricht von einem Wunder. Bevor Ihr also das nächste Mal einem „Wunder“ begegnet, fragt Euch wie hoch die Wahrscheinlichkeit dafür war und wie lange der Zeitraum, in dem diese Wahrscheinlichkeit hätte eintreten können.
Ihr merkt mir sicherlich an, dass ich das Buch toll finde. Warum sollte ich es auch sonst empfehlen? 🙂 Der lockere Schreibstil Dobellis und das (für mich) interessante Thema machen einfach Spaß. Das Buch hat mich oft zum Schmunzeln gebracht, vor allem, wenn ich wieder auf einen Denkfehler aufmerksam gemacht wurde, der mir selbst oft passiert. Es ist zwar keine Pflichtlektüre aber hat mich sehr gut unterhalten. Durch die kurzen Kapitel ist „Die Kunst des klaren Denkens“ besonders für alle geeignet, die zwischendurch immer nur ein paar Minuten zum Lesen haben.
Hier noch der Link* zum Buch:
Bis dahin,
genießt das Leben!